Wir befinden uns an der nordwestlichen Ecke Balis. Die benachbarte, deutlich größere, indonesische Insel Java ist in Sichtweite.
Eine Autofähre soll uns in einstündiger Fahrt hinüberbringen. Vor der Einfahrt zum Schiff eine Schranke und ein Ticketschalter. Es gibt Tarife für verschiedenste Fahrzeuge, auch für Fahrräder. Es gibt aber keinen Tarif für ein Liegerad und ein Liegerad mit Anhänger. Was soll man uns für die Überfahrt berechnen? Ein Kollege um den anderen wird um Rat gefragt. Hinter uns sammeln sich andere Passagiere, vor uns beratendes Hafenpersonal. Ich interpretiere in die Diskussion die Frage, wie viele Radfahrer wir sind. Ich bleibe gelassen, bei einem Ticketpreis für einen Radfahrer inklusive Rad von umgerechnet 0,58€ beuge ich mich jeder Entscheidung. Dann die Lösung – wegen der Länge des Anhänger-Gespanns kostet es den mehr als viermal so teuren Motorrad-Tarif. Ich führe vor, daß ich mit zwei Handgriffen den Anhänger abkoppeln kann, schiebe mein Rad durch die Schranke, schiebe dann den Trailer durch die Schranke und hänge ihn zwei Meter weiter wieder an. Das kostet ein Fahrrad und noch ein Fahrrad.
Unser erster Eindruck von Java: Java ist laut. Es gibt kaum Abschnitte mit ruhigem Verkehr. Überall ist man umringt von Mofa-Schwärmen. Dazu LKW, Busse u.s.w., die mit einem Hupen den anstehenden Überholvorgang ankündigen. Ein Wortwechsel während des Radfahrens ist weitestgehend unmöglich. Dann gibt es in den Dörfern Boxentürme neben der Straße mit Frontflächen bis ca. zwei mal vier Metern, die – vielleicht eine Art Radioprogramm – ab Sonnenaufgang das halbe Dorf beschallen. Dann gibt es vor Moscheen Geldsammlungen – es mutet wie ein Kontrollpunkt an – und dazu jemanden, der in einem predigenden Tonfall die Vorbeifahrenden via Lautsprecher betäubt. Und es gibt die Moscheen – überall. Unterschiedlich groß, verschieden prächtig aber sehr zahlreich. Und von diesen ertönt mehrfach täglich der Aufruf zum Gebet. Die erste Einheit gibt es derzeit kurz nach vier Uhr morgens.
Yogyakarta 4:24Uhr morgens
Unser Tag beginnt aber ohnehin recht früh, so gegen sechs Uhr. In den Morgenstunden ist die Temperatur noch angenehm zum Radfahren, die im Tagesverlauf bei sengender Sonne etwa 30°C im Schatten erreicht. Außerdem ist mit früh einsetzender Dunkelheit spätestens gegen 17Uhr der Radfahrtag beendet.
Unser Höhepunkt ist Javas höchster Punkt, der 3676 Meter hohe, aktive Vulkan Semeru. Ein wunderschöner Vulkankegel, aus dessen Krater immer mal eine Wolke austritt. Zunächst erblicken wir ihn als I-Punkt im Hintergrund malerischer, palmenumsäumter Reisfelder. Wir müssen einen Bergrücken überqueren, kommen von Reisfeldern, vorbei an Bananen, in dichten, tropischen Wald. Wieder aus dem Wald heraus, erreichen wir zu abendlicher Stunde ein Dorf im unteren Teil des Vulkanhangs. Direkt hinter den Häusern steigt der Kegel weitere 3000 Meter auf. Dort verbringen wir die Nacht auf Einladung bei einer Familie im Haus, die Räder sicher in der Küche geparkt anstelle des Mopeds.
Bislang schlafen wir fast immer in festen Unterkünften. Ungestörtes, wildes Zelten ist, zumindest als Familie, schwierig wegen der Zersiedlung, des Geländes und dessen Bewirtschaftung. So verbringen wir erst eine Nacht im Zelt. Lara würde sich mehr Zeltübernachtungen wünschen.
Auch selbst gekocht, auf Radreisen für uns obligatorisch, haben wir bisher nicht. Einfache Lokale gibt es überall und, zumindest in untouristischen Orten, können wir für um die drei Euro unsere ganze, kleine Familie mit einer warmen Mahlzeit versorgen. Meist sind das Nasi Goreng (gebratener Reis) oder Mie Goreng (gebratene Nudeln), als Getränk am liebsten Avocado-Saft. Eine wichtige Indonesisch-Vokabel dabei: tidak pedas = nicht scharf!
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Hi Ihr drei, vielen Dank für den neuen, ausführlichen Bericht! Schön zu wissen, dass es Euch gut geht. Und dass am Ende alles ein bisschen anders ist als man dachte, dafür seid Ihr ja hingefahren ;)
Im Übrigen habe ich jetzt plötzlich großen Appetit auf Nasi Goreng… ;)
Liebe Grüße aus Halle –
Ole
Habe heute erstmalig den „Tour-Faden“ aufgenommen – sehr interessante Berichte + tolle Fotos! Weiterhin eine erlebnisreiche Fahrt! Beste Grüße aus Berlin Dieter T.
Jetzt seid ihr schon über einen Monat unterwegs! Wie geht es Lara? Genießt sie das Abenteuer? Hat sie Heimweh? Liebe Grüße
Lara geht es sehr gut. Bisher nicht die kleinste Unpässlicheit. Sie arrangiert sich bestens mit dem was wir vorfinden. Das Radfahren selbst macht ihr sowieso Spaß. Mal würde sie an einem Ort bleiben wollen – dann, wenn es dort einen Pool gibt. Mal drängt Lara aber auch auf Weiterfahrt. Heimweh hat sie bisher in keinem Wort! Wir sind nicht davon ausgegangen, daß die Anpassung ans Essen, neue Keime, Klima u.s.w. so reibungslos funktioniert und Lara bisher nichts zu vermissen scheint. Das freut uns sehr.